So langsam beginnen wir die Vorzüge unseres Campers, Jake, zu schätzen. Er ist zwar wirklich ein unmögliches Ungetüm. Richtig schnell fahren geht nicht, er ist in Kurven weniger stabil als unser Vw-Bus, und auf steileren Strassen geht ihm die Puste aus. Man schläft in der Regel mit vielen anderen Leuten auf einem Campingplatz, mit mehr oder weniger sauberen sanitären Anlagen – manchmal auch nur mit einem stinkenden Plumpsklo. Man hat wenig bis gar keine Privatsphäre, was mit Kindern im Teenageralter für den Teenie, manchmal aber auch für die Eltern gewöhnungsbedürftig ist.
Aber man hat auch immer eine Kochgelegenheit, einen Kühlschrank und all seine Vorräte dabei. Man hat bei Regen einen annehmbaren Unterschlupf. Bei Bedarf ist sogar eine Dusche und ein Wc da, auch wenn wir beides lieber nicht nutzen. Hat man unterwegs mal schmutzige Hände, kann man sie schwupps bei Jakes Küche waschen. Wenn jemand grösseres sich um Schlaf umdreht, schaukelt der ganze Kahn – aber bis auf die ersten zwei Nächte schlafe ich herrlich und erwache meistens erst am Morgen.
Wer nicht ans Reisen mit einem Camper gewöhnt ist, muss sich wohl anfangs wie wir erst an die Organisation in einem solchen Koloss gewöhnen. Jedes Ding braucht seinen Platz, und davon gibts viel zu wenig. Wohin nur mit all den Sachen, damit man sie auch wiederfindet? Wenn alles verstaut ist und man glücklich zum ersten Einkauf fährt, folgt die Ernüchterung: der Kühlschrank ist klein für eine fünfköpfige Familie, die Küche winzig. Hat alles Platz?? Wohin mit den Früchten?? Die Vorräte werden in Schränke gestapelt, die über Kopfhöhe sind. Nach einigen Wochen findet man in den Tiefen des Schranks Esswaren, von denen man gar nicht mehr wusste, dass man sie hat.
Mit der Zeit gewöhnt man sich an, die Schubladen vor der Abfahrt zu sichern, jedes Ding, das lose herumliegt zu verräumen (da es sonst während der Fahrt im Camper herumfliegt) und vor der Abfahrt all die Dinge zu tun, die getan werden müssen: Gashahn zudrehen, Stromkabel verräumen, Fenster zu usw. Wenn man nicht gerade einen Kühlschrank hat wie unser Jake, der in jeder Kurve aufspringt und seinen Inhalt ins Wageninnere erbricht, kann man jedes Ding sichern. Nebenbei – wir sichern Jakes Kühlschrank mittlerweile mit den komischen überzähligen Sitzkissen, die sowieso nur herumliegen und Platz fressen. Das Geschepper haben wir mit Küchentüchern reduziert, die vor jeder Fahrt an den richtigen Orten eingeklemmt werden. Sogar das Blech von Grill bekommt ein Küchentuch, worauf es brav die ganze Fahrt lang schweigt.
Nach einem Ausflug zu Jake zurückzukehren fühlt sich schon ein wenig wie Heimkommen an. Morgens vor der Abfahrt sitzen die Handgriffe, um das Bett wieder in einen Tisch zu verwandeln (was habe ich die ersten Male geübt, bis ich wusste wie …) und alles reisefertig zu machen. Wir sind viel effizienter geworden. Wir schauen Parkmöglichkeiten mit Jake-Augen an und der Bühlimann parkt das Möbel in jede erdenkliche Lücke (und manchmal wieder aus, weil die Frau den Ort einfach unpassend findet für einen Riesen wie Jake. Man darf sich nicht alles erlauben).
Ja, Jake säuft. Er fährt etwas über 300 Kilometer mit einem Tank. Unser VW-Bus zuhause macht mit einem Tank (der nur wenig grösser ist) dreimal soviel Strecke … trotzdem: Camper Jake wächst uns langsam ans Herz!